Ceratizit verkürzt Auftragslaufzeit
Firma: CERATIZIT S.A.
Themen: Produktentwicklung, Konstruktion & Entwicklung (CAD), PTC Creo Parametric Zusatzprodukte
Branche: Werkzeug- & Formenbau
Erschienen in:
KEM Konstruktion - Technikportal für Konstrukteure 06/2018
Bericht herunterladen ZurückEine Zusatzapplikation für Creo erleichtert die Konfiguration von Fräsern bei Ceratizit
Die Herstellung von Hartmetallkörpern ist kompliziert, weshalb die meisten Werkzeughersteller ihre Rohlinge einkaufen. Einer der größten Lieferanten solcher Rohlinge ist die Ceratizit-Gruppe. Ihr Standort Empfingen ist Vorbild in der Automatisierung der Rohteilkonstruktion und weist mithilfe von INNEO und Smart Assembly von B&W große Erfolge bei der Einführung eines Konfigurationsprozesses vor.
Ceratizit entstand im Jahr 2002 durch die Fusion der luxemburgischen Cerametal und der österreichischen Plansee Tizit – der Name ist aus den Bestandteilen der beiden Unternehmensnamen gebildet. Die Kooperation der beiden Unternehmen reicht zurück bis ins Jahr 1948 und ist geprägt von einer stetigen Expansion rund um den Globus. 2012 ging Ceratizit ein Joint Venture mit dem Vollhartmetall-Werkzeughersteller Günther Wirth ein, um die Wertschöpfungskette bei Rundwerkzeugen zu vervollständigen. Weitere Übernahmen folgten, heute betreibt das Unternehmen 34 Produktionsstätten weltweit, in denen 9100 Mitarbeiter beschäftigt sind, der Umsatz liegt bei über einer Milliarde Euro.
Im Werk in Empfingen arbeiten 370 dieser Mitarbeiter. Hier entstehen zum einen Hartmetallteile für die Dieseleinspritzungim Auto, Heißkanaldüsen für die Spritzgussfertigung und Werkzeuge für das Zerteilen von Lebensmitteln. Zum anderen konstruieren und fertigen die Mitarbeiter in Empfingen Rohlinge für Schnitt- und Stanzwerkzeuge. Aus diesen Rohlingen entstehen dann beim Kunden durch Schleifen und andere Bearbeitungen die eigentlichen Werkzeuge.
Diese Rohlinge sind sich in ihrem grundsätzlichen Aufbau immer wieder ähnlich, unterscheiden sich aber in Details und Abmessungen – das macht sie einerseits sehr gut geeignet für die Implementierung eines Konfigurators, andererseits sind die Geometrien sehr komplex. „Wir sind nicht den üblichen Weg gegangen, dass wir mit dem einfachsten Bauteil angefangen haben“, erläutert Jens Hellstern, Mitarbeiter im Bereich Supply Chain, der die Lösung gemeinsam mit der INNEO Solutions GmbH entwickelt hat, „sondern wir haben die komplexesten Teile für unser Pilotprojekt gewählt. Wenn es bei den Rohlingen für Wälzfräser klappt, dann klappt es bei allen anderen Rohlingsarten auch.“
Ziel des Projekts, das Ceratizit im Jahr 2017 startete, war es, die Auftragslaufzeiten zu verkürzen und im Konstruktionsbüro Kapazitäten freizusetzen, die im Alltag mit immer wiederkehrenden Aufgaben gebunden waren. Schließlich sollte der administrative Aufwand gesenkt werden, indem statt immer neuer Eingabe der selben Daten ein durchlaufender Prozess etabliert wird, der zudem weniger Möglichkeiten bietet, Fehler zu machen.
Fräser online konfigurieren früher und jetzt
Seit Ende 2017 bietet das Unternehmen einen Online-Konfigurator, in dem der Kunde die Geometrie und andere Parameter des gewünschten Fräsers eingibt. Diese Daten lösen im SAP-System einen Kundenauftrag aus. Bisher musste dann der Fräser zunächst im CAD-System – der Werkzeughersteller nutzt seit dem Jahr 2002 Creo, damals noch unter dem Namen Pro/ENGINEER – modelliert werden. Dann definierten die Ceratizit-Spezialisten Schleif- und Bearbeitungsaufmaße, um die Rohteilgeometrie zu erhalten.
Im nächsten Prozessschritt wurde die Rohteilgeometrie an die Arbeitsvorbereitung übergeben. Die Wälzfräserrohlinge entstehen selbst aus Rohlingen, die allerdings noch nicht gesintert sind. Das Grundmaterial von Hartmetallteilen ist ein Pulver, das in einer Form zu einem sogenannten Grünling gepresst und dann gesintert wird. Beim Sintern verbackt das Pulver zu einem festen Werkstoff, die die gewünschten Eigenschaften des Hartmetalls aufweist; allerdings schrumpft der Grünling beim Sintern, was natürlich bei dessen Bearbeitung vor dem Sintern berücksichtigt werden muss. Hier liegt eins der Alleinstellungsmerkmale des Werkzeugherstellers, denn es erfordert viel Erfahrung, die Geometrie des Grünlings so zu erstellen, dass nach dem Sintern möglichst genau die gewünschte Rohlingsform entsteht.
Die Konstruktion der Rohlinge war bisher ein relativ aufwendiger, repetitiver Vorgang – die Konstrukteure übertrugen die Maße und eventuell eine Zeichnung der Außengeometrie in ein 3D-Modell, das dann an die Arbeitsvorbereitung weitergeleitet wurde. Die neue Lösung sollte die Mehrfacheingabe der Daten vermeiden und das Modell automatisch aufbauen. Da Ceratizit im Bereich der CAD-Arbeitsplätze seit der Einführung von Creo im Jahr 2002 mit INNEO zusammenarbeitet, wandte man sich zunächst an das Ellwangener Systemhaus, das auch direkt mit einer Lösung aufwartete: Smart Assembly, einer Creo-Erweiterung von B&W Software. Die Erweiterung erlaubt einen einfachen Zugriff auf die Programmierschnittstelle von Creo Parametric mit Hilfe einer Skriptsprache. Der Nutzer kann graphische Oberflächen erstellen und ohne tiefergehende Programmierkenntnisse Abläufe automatisieren.
Es zeigte sich schnell, dass Smart Assembly die richtige Wahl war. Vor allem gefiel die nahtlose Integration in Creo. Für die Erzeugung eines Konfigurators werden ein Mastermodell sowie eine Reihe von Skripten benötigt. Das Mastermodell enthält alle Features, die an einem Endprodukt vorkommen können, die Skripte schalten diese Features nach Bedarf ein oder aus und setzen die angegebenen Maße in die entsprechenden Maße des Modells um – so entsteht die gewünschte Geometrie.
Der Zusatzapplikation vorgeschaltet sind in der erst kürzlich in Betrieb gegangenen Implementierung das SAP-System sowie eine von der Ceratizit-IT-Abteilung entwickelte Weboberfläche, in der der Kunde seine Daten eingibt. Anhand einer Beispielskizze wird der Kunde durch die Eingabe der Daten seines Werkzeugs geführt, wobei die Webapplikation ständig überprüft, ob alle notwendigen Daten eingegeben sind, zudem wird dies in grüner Farbe an der Skizze angezeigt.
Die vom Kunden eingegebenen Daten des gewünschten Werkzeugs werden im SAP-System bearbeitet, wobei unter anderem die vom Kunden angegebenen Schleifaufmaße in die Maße eingerechnet werden. Die XML-Datei, die SAP ausgibt, enthält also schon die Maße der Rohteilgeometrie.
Ein Triggerprogramm überwacht einen Ordner auf dem Server, in den SAP seine XML-Daten ablegt. Sobald dort ein XML auftaucht, wird auf einem Server Creo gestartet und die Smart-Assembly-Skripte verarbeiten die Daten aus dem XML-File und wenden diese auf das Mastermodell an. So entsteht automatisch die 3D-Geometrie des Rohlings. Zugleich aber entsteht auch – weil am Mastermodell eine Zeichnung angehängt ist – die Zeichnung, die zum einen ins SAP-System zurückgeht und von dort zur Freigabe an den Kunden geschickt wird. Zum anderen wird die Zeichnung in der Arbeitsvorbereitung weitergenutzt.
Bei der Zeichnungserstellung entwickelten die INNEO-Spezialisten noch eine pfiffige Lösung: Smart Assembly ermittelt die endgültigen Außenmaße des Rohlings und wählt entsprechend passend die Zeichnungsgröße und den Maßstab aus. Die Zeichnungsansichten werden optimal positioniert und die Daten des Kunden an entsprechender Stelle in die Zeichnung eingetragen.
„Bis zu diesem Punkt läuft die Lösung dank der Erweiterung von B&W und der Verknüpfung mit SAP völlig ohne Eingriff eines Menschen“, sagt Hellstern. „So ist es möglich, die Bearbeitungszeit bis zu diesem Punkt auf wenige Minuten zu reduzieren, der gesamte Prozess, bis der Rohling auf der Maschine ist, dauert statt drei Tage wenige Stunden. Das ist ein hervorragendes Ergebnis.“
Einfache Sprache als gemeinsamer Nenner
Hellstern erinnert sich an die ersten Schritte mit der Erweiterung: „Wir hatten hier im Haus eine Schulung in der Skriptsprache, in deren Verlauf wir die ersten Modelle und Skripte aufbauten – wir arbeiteten also schon in der Schulung produktiv. Dabei lieferte INNEO immer wieder Codemodule, mit der wir unsere Skripte aufbauten. So haben wir partnerschaftlich die Lösung vorangebracht.“
Im weiteren Verlauf arbeitete Hellstern selbständig weiter, hatte aber immer die Möglichkeit, von INNEO Hilfe zu erhalten: „Selbst wenn INNEO mal eine Frage nicht beantworten konnte, war spätestens zwei Tage später eine Antwort von B&W da, ebenso war es, wenn wir eine Erweiterung der Software benötigten – beide Unternehmen arbeiteten eng zusammen, um uns in kürzester Zeit eine Lösung liefern zu können.“
Ein großer Vorteil der Zusatzapplikation ist die Versionsunabhängigkeit – auch wenn sich in der Creo-API etwas ändert, die Skriptsprache bleibt gleich. Viele Umgebungsvariablen von Creo sind in der Konfigurationssoftware zugänglich und enthalten, insgesamt findet Hellstern die Sprache relativ einfach zu erlernen: „Man kann viel Code kopieren und abändern, zudem ist die Sprache nicht kompliziert – das Einblenden eines Konturelements erfordert gerade einmal zwei Zeilen Code.“
„Ich denke ständig an Erweiterungen“, gesteht Hellstern, „gerade weil die Programmierung so einfach ist. So wird in der Arbeitsvorbereitung eine Software genutzt, die den Schwund berechnet und die CAD-Modelle entsprechend verzerrt. Dieses Schwundtool – das wir übrigens ebenfalls mit INNEO gemeinsam entwickelt haben – wäre ein idealer Kandidat, in Smart Assembly integriert zu werden, dann hätten wir die Prozesskette bis in die Produktion geschlossen. Und natürlich wollen wir die Software auch in anderen Unternehmensbereichen einsetzen. Die Zusatzapplikation von B&W hat gezeigt, dass sie den komplexesten Geometrien bei Ceratizit gewachsen ist, deshalb sollte diese Erweiterung auf andere Bereiche keine neuen Probleme aufbringen.“
„Die Vorteile unserer neuen Lösung sind beachtlich, ganz abgesehen von der Durchlaufzeitverkürzung von durchschnittlich drei Tagen auf wenige Stunden“, fasst Peter Roth, Leiter Produktmanagement und Konstruktion, zusammen: „Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit, rund um die Uhr zu bestellen, das ist bei einem weltweit operierenden Unternehmen wichtig. Der Kunde kann vor dem Bestellen speichern und beispielsweise erst dann die Bestellung auslösen, wenn sein Kunde wiederum das Werkzeug bestellt. Wir nehmen den Mitarbeitern viel repetitive, langweilige Arbeit ab und schaffen ihnen Zeit für wirklich interessante Tätigkeiten, etwa die Entwicklung neuer Service- Angebote für unsere Kunden. Und wir sind einen Schritt weiter in der Digitalisierung unserer Prozesse. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit INNEO zusammen und das Unternehmen hat sich auch hier als kompetenter und guter Partner erwiesen, der uns voranbringt.“
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Ceratizit bietet einen Online-Konfigurator, in dem der Kunde die Geometrie und andere Parameter des gewünschten Fräsers eingibt -
Die Mitarbeiter konstruieren und fertigen Rohlinge für Schnitt- und Stanzwerkzeuge. Aus diesen Rohlingen entstehen dann beim Kunden durch Schleifen und andere Bearbeitungen die eigentlichen Werkzeuge
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