Produktion digital unterstützt: IIoT bei Brainlab

Anwenderbericht
Produktion digital unterstützt: IIoT bei Brainlab

Firma: Brainlab AG

Themen: Produktentwicklung, Konstruktion & Entwicklung (CAD), Produktdatenmanagement (PDM/PLM), Industrie 4.0, IIoT Plattform ThingWorx

Branche: Medizintechnik

Erschienen in:

MED engineering

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Minimalinvasive Chirurgie ist ein riesiger Fortschritt in der Medizin, vor allem, wenn es um das Gehirn geht. Voraussetzung für erfolgreiche minimalinvasive Operationen an kritischen Stellen wie Gehirn oder Rückenmark ist ein genaues Wissen darüber, wo die betroffene Stelle ist und wie man dort hinkommt. Die Münchener Brainlab AG entwickelt seit vielen Jahren Software für bildgestützte Chirurgie und Bestrahlung, seit 2021 fertigt das Unternehmen auch die Hardware bestimmter Produkte selbst. Mit Unterstützung von INNEO hat Brainlab dazu eine digitalisierte Produktionsumgebung aufgebaut, die Fehler verhindert und die Effizienz in der Montage steigert.

Ein Tumor, ein Blutgerinnsel oder etwas anderes mitten im Gehirn zu behandeln oder zu entfernen ist sicher eine der größten Herausforderungen in der Medizin. Früher richtete der Operateur im schlimmsten Fall mehr Schaden beim Freilegen des Operationsfelds an als das zu entfernende Objekt selbst. Da das Zerstören von Hirngewebe immer zu einem Verlust an kognitiven oder anderen Fähigkeiten führt, war die Entwicklung von OP-Technologien, die über winzigste Öffnungen und mit feinen Instrumenten in das Gehirn eindringen, ein großer Fortschritt. Doch damit tauchte das Problem auf, sich im Gehirn zurechtzufinden und den gewünschten Ort möglichst zielgenau anzusteuern.

Moderne Bildgebungsverfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomographie ermöglichen einen sehr genauen und oft auch dreidimensionalen Einblick in den Körper. Dies wiederum eröffnet die Möglichkeit, Operationen im Voraus zu planen. Während der Operation ist es dann immer noch schwierig, die Abbildungen und die realen Verhältnisse so präzise miteinander zu verbinden, dass man beispielsweise eine bestimmte Stelle im Gehirn millimetergenau ansteuern kann.

Brainlab entwickelt seit der Gründung im Jahr 1989 Software und Hardware, die genau diese Navigation ermöglichen, indem bestimmte Oberflächen des Patienten, beispielsweise an Stirn und Wange, eingescannt und dann digital mit dem 3D-Modell in Deckung gebracht werden. Der Kopf des Patienten ist während der Operation in einem Halter fixiert, der wiederum mit 3D-Markern versehen ist. 3D-Kameras verfolgen diese Marker und können die Darstellung nachführen, wenn der Patient sich bewegt oder verschiebt. Das Unternehmen liefert neben diesen darstellenden Geräten auch Positioniergeräte, die Nadeln oder Endoskope zielgenau an die gewünschte Position führen. Der Operateur sieht dabei nicht den realen Patienten, sondern das Modell auf dem Bildschirm, innerhalb dessen beispielsweise der Tumor farbig dargestellt wird. Anhand dieser digitalen Darstellung kann er punktgenau navigieren. Andere Geräte verbinden sich mit Operationsmikroskopen, bewegen diese und blenden Zusatzinformationen ein.

Gesteuert wird das Gesamtsystem aus OP-Geräten, Bildschirmen und Bediengeräten mit einem von Brainlab entwickelten „OP-Betriebssystem“, das alle relevanten Informationen bereitstellt und an die richtige Stelle lenkt. Ein weiterer Geschäftsbereich sind Radiochirurgie-Geräte, mit denen sich Bestrahlungen extrem genau an einem Ort im Körper dosieren lassen.

Brainlab verstand sich bisher vor allem als Softwareunternehmen, die Hardware wurde zwar selbst entwickelt, die Fertigung jedoch an Systemlieferanten vergeben. In der Konstruktionsabteilung nutzt man seit dem Jahr 2004 die 3D-CAD-Lösung Creo Parametric und die PLM-Applikation Windchill. Betreut wurde diese Installation vom Ellwangener Systemhaus INNEO.

Mit der Entwicklung des neuen Systems Curve Navigations beschlossen die Brainlab-Verantwortlichen, ein mögliches Insourcing zu untersuchen und Planszenarien für eine Inhouse-Produktion zu entwerfen. Durch die Vor- und Endmontage sowie die Installation der Software in Verbindung mit funktionalen und sicherheitsrelevanten Prüfungen der Baugruppen und Systeme sollten die Durchlaufzeiten reduziert, die komplexen Lieferketten besser beherrscht und die Reaktionsfähigkeit auf Nachfrageveränderungen verbessert werden. Dieses Vorhaben wurde plangemäß umgesetzt. Das neue System wird seit Juli 2020 erfolgreich in Serie produziert.

Nach einiger Zeit zeigte sich jedoch, dass ohne eine intelligente Produktionssoftware die hohen Qualitätsansprüche und Dokumentationspflichten der Medizintechnik nicht zu erfüllen waren. So nutzte man anfangs manuell einstellbare Drehmomentschlüssel, die eine potentielle Fehlerquelle darstellten, wenn der Mitarbeiter vergaß, das jeweils passende Moment einzustellen. Zudem gab es im Prozess zahlreiche manuelle Schnittstellen. Es muss jederzeit gewährleistet sein, dass sich Seriennummern durch den gesamten Prozess rückverfolgen lassen – was wiederum ohne einen durchgängigen, digitalen Prozess kaum möglich ist.

Production Engineer Hannah Durst erinnert sich: „Wir suchten nach einer digitalen Lösung, um alle Schritte der Produktion beschreiben, steuern, kontrollieren und dokumentieren zu können. Dabei sollte nach wie vor der Mitarbeiter als Kernelement der Produktionsstrategie erhalten bleiben.“ Brainlab entschied sich dafür, eine IIoT-Lösung (Industrial Internet of Things) zu implementieren, weil eine solche zum einen auch noch funktionieren würde, wenn weitere Produktionsstandorte hinzukommen. Zum anderen sprach die Bidirektionalität von IIoT dafür – Informationen laufen in die eine Richtung, Werte aus der Produktion und andere Dokumentation in die andere.

Recht schnell fand man die PTC-Produktpalette mit Thingworx als IIoT-Plattform und Kepware zur Anbindung der Hardware. „Das hatte den Vorteil, dass unsere CAD- und PLM-Umgebung ja schon von PTC stammt und wir so direkt an das PLM-System anschließen konnten, ohne uns über Schnittstellen allzu viele Gedanken machen zu müssen. Zudem konnte uns unser gewohntes Systemhaus INNEO auch hier weiterhelfen. Das versprach eine schnelle, reibungslose Einführung."

Das Ergebnis ist Smart Operator Advisor, eine digitale Anleitung für die Produktionsmitarbeiter. Dieser digitale Kontakt führt den Mitarbeiter durch den Prozess, der damit transparent und reproduzierbar wird. Zu dem System gehört zum einen Hardware – programmierbare Drehmomentschrauber, Bithalter mit Sensoren und Indikatorleuchten und QR-Codes zur Identifizierung der Arbeitsplätze. Zum anderen sind die Arbeitsplätze vernetzt und mit Touchscreens versehen, auf denen die digitale Anleitung läuft. Zudem ist Test- und Measurement-Equipment integriert, um Prüfungen direkt im Prozess vornehmen zu können. So ist gewährleistet, dass Fehler sofort erkannt werden und nur Gutteile den Prozess durchlaufen.

Die Arbeitsplätze sind nach Kanban- und Lean-Prinzipien organisiert und unterstützen verschiedene Arbeitsschritte. Nach der Anmeldung am System scannt der Produktionsmitarbeiter den Arbeitsplatz, so dass das System erkennt, um welchen Arbeitsschritt es geht, sowie die Bauteile, die er darin verarbeiten soll. Auf dem Bildschirm lädt nun eine Schritt-für Schritt-Anleitung, die der Produktionsmitarbeiter nach jedem Schritt quittieren muss. Um zum nächsten Schritt zu gelangen, müssen verschiedene Parameter erfüllt sein – beziehungsweise Abläufe abgearbeitet sein.

Nach dem Starten zeigt das System, welche Bauteile miteinander montiert werden sollen. Am intelligenten Bittray wird das aktuell benötigte Bit mit einer grünen LED angezeigt – zieht der Kollege ein anderes Bit heraus, leuchtet eine rote LED und der Drehmomentschrauber wird abgeschaltet. Mit der Entnahme des richtigen Bits wird das passende Drehmoment in den Schrauber programmiert und der Mitarbeiter kann die Teile montieren. Jeder Schraubvorgang wird am Bildschirm angezeigt und das tatsächlich aufgebrachte Drehmoment, das der Schrauber rückmeldet, angezeigt und gespeichert. Erst wenn alle Verschraubungen mit dem richtigen Drehmoment abgearbeitet sind, kann zum nächsten Schritt weitergeklickt werden.

Als spätere Anwender wurden unsere Produktionstechniker sehr frühzeitig in das Projekt eingebunden und mit der Anwendung vertraut gemacht, sowie laufend über den Stand des Projektes informiert. Das durchgängig positive Feedback der Anwender bestätigt unsere Vorgehensweise“, berichtet Durst. „Insbesondere die Navigation durch den Montageprozess, die Integration von CAD-Bildern und die Rückmeldung von Ergebnissen aus Montage und Prüfung wurden positiv hervorgehoben. Die Zahlen zeigen, wie komplex die Aufgabe ist: Beim Curve Navigation-System werden 400 unterschiedliche Bauteile zu 12 Vormontage-Baugruppen und zu zwei kompletten Carts zusammengebaut. Dann muss die richtige Kombination aus 90 Softwarevarianten aufgespielt werden. Sieben Montagestationen stehen für die 900 Montageschritte zur Verfügung."

ThingWorx ist keine direkt nutzbare Software, sondern stellt einen Baukasten zur Verfügung, mit dessen Hilfe INNEO die notwendigen Bausteine entwickelte, die dann zu einer Anleitung zusammengesetzt und im Smart Operator Advisor veröffentlicht werden. „INNEO hat einen Rahmen geschaffen, den wir jetzt mit Anweisungen füllen können“, erläutert Durst. „So haben wir einen Baustein, der Verschraubungen anzeigt, das Programm für den Schrauber inklusive Drehmoment und -winkel aktiviert sowie die Verschraubung prüft und dokumentiert, verschiedene Bausteine für Funktionstests und so weiter. Diese Bausteine setzen wir dann zu neuen Anleitungen zusammen.

Durst hebt die gute Zusammenarbeit mit INNEO hervor: „Für die Implementierung dieser Bausteine haben wir mit INNEO gemeinsam die Anforderungen definiert und vor allem darauf geachtet, dass die entstehende Montage- und Testdokumentation die Regularien der Medizintechnikbehörden erfüllt.“ Zu dieser von INNEO geleisteten Implementierung gehörte auch die Verknüpfung der Operator-Software mit den Softwaresystemen – von SAP bis Windchill – und den Teststationen sowie der Hardware.

In der nächsten Phase wird der Smart Operator Advisor so erweitert, dass er das Überprüfen der kundenspezifischen Firmware-Modulauswahl automatisieren kann. Die Käufer entscheiden selbst, welche Funktionsmodule sie benötigen, was sich im Preis des Geräts niederschlägt. Die Advisor-Anwendung liest bei der Qualitätskontrolle aus dem Auftrag die gekauften Module für ein bestimmtes Gerät und überprüft, ob das individuelle Gerät genau die gewünschte Firmware bekommen hat. So werden auch an dieser Stelle Fehler vermieden und die Arbeit vereinfacht. „Wir sind sehr zufrieden mit INNEO und deren Support und Implementierungen“, fasst Durst zusammen. „Die Mitarbeiter von INNEO haben schnell verstanden, was wir benötigen und uns die entsprechenden Lösungen zur Verfügung gestellt. Wir haben unsere Mitarbeiter in den Prozess eingebunden, jeder wusste, dass etwas Neues kommt und so war die Akzeptanz von Beginn an hoch.“

Wir hatten anfangs überlegt, eine eigene Lösung zu entwickeln“, blickt Durst zurück, „haben aber schnell gesehen, dass eine vorgefertigte Lösung effizienter sein wird. Da wir schon PTC-Produkte hatten und PTC mit Thingworx und Kepware anerkannt gute Lösungen im Portfolio hat, ist uns die Entscheidung für diese Software leicht gefallen. INNEO hat dann die Implementierung hervorragend unterstützt, Best Practices geliefert, die uns bei der Definition der Prozesse geholfen haben, und uns rundum unterstützt.

Hannah Durst zieht Bilanz: „Wir benötigten vom Kauf der Software bis zum Start in der Serienproduktion eineinviertel Jahre. Die gesamte Einführung gemeinsam mit INNEO lief effizient, flott und zielstrebig ab. Wir haben nun eine Lösung, die unsere Mitarbeiter unterstützt, die Qualität sicherstellt und dokumentiert und schließlich auch die Anforderungen der Regulierungsbehörden erfüllt. Und wir können diese Lösung an neue Anforderungen anpassen, sie wächst mit uns – dank der guten Zusammenarbeit mit INNEO.

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